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Redebeitrag von Helga Lerch / FDP-Kreistagsfraktion zum Haushalt 2012 16. Dezember 2011 Sehr geehrter Herr Landrat, meine Damen und Herren, unter Zugrundelegung der aktuellen Finanzplanung und den vorliegenden Daten geht die Verwaltung von einem steigenden Kreisumlageaufkommen aus und zwar um je 4 Mio Euro in den Folgejahren. (nachzulesen im Haushaltsplan S. VII oben) In 2012 ist eine vertragliche Tilgung von 631.000 Euro zu leisten sowie die Planung einer Sondertilgung von 2,5 Mio Euro veranschlagt. Die neue Koalition hat sich das Leitziel der Entschuldung bis 2014/15 gesetzt. Angesichts des prognostizierten steigenden Umlageaufkommens gibt es zum derzeitigen Zeitpunkt gute Gründe den aktuellen Hebesatz um 0,5 Prozentpunkte zu senken und damit finanz- und wirtschaftspolitische Impulse an die Gemeinden zurückzugeben. Dabei entsprechen 0,5% der untersten rational und verantwortlich vertretbaren Marge, die zudem einem Deckungsvorschlag unterliegt. Die Koalition aus CDU, FDP und FWG kann zum derzeitigen Zeitpunkt einer Erweiterung des Kreisgebäudes und damit einer Investition von 3 Mio Euro nicht zustimmen. Wir erwarten von der Verwaltung die Vorlage eines klaren Raumbedarfsplanes. Des Weiteren muss geprüft werden, ob die frei werdenden Räume des Ingelheimer WBZ sich zu Anmietung eignen. Die derzeitige Kindertagesstätte im Kreisgebäude wird ausgelagert und durch den Neubau in unmittelbarer Nähe aufgefangen. Hinsichtlich des Personalbestandes ist eher von einem Abbau anstelle einer Erhöhung auszugehen. Und für die Fraktionen von FDP, CDU und FWG darf ich übereinstimmend erklären, dass wir auf separate Fraktionsräume verzichten. Drei Schränke tun's auch! Wir haben als FDP eine rechtliche Prüfung vorgenommen, ob man den Hebesatz der Kreisumlage splitten darf
Dies ist eine politische Aussage, die die finanzschwachen Gemeinden im Blick behält und die Entschuldung nicht aus den Augen verliert. Eine minimale Senkung mit Augenmaß und politischer Vernunft. Meine Damen und Herren, der vorgelegte Haushaltsentwurf ist ein Haushalt der vielen Möglichkeiten. Dank der immer noch guten finanziellen Situation können wir auch diejenigen daran teilhaben lassen, die sich ehrenamtlich für unsere Gemeinschaft einsetzen. Deshalb unterstützt die FDP die erneute Aufnahme der Ehrenamtsförderung in der veranschlagten Höhe von 1,5 Mio Euro. Die Weiterführung in den kommenden Jahren sehen wir in enger Abhängigkeit von der Finanz- und Wirtschaftskraft des Kreises. Freiwillige Leistungen stecken aber noch in vielen anderen Teilbereichen des Haushaltes. Dies sind all jene Bereiche, die weit über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinausgehen. Diese so genannten "freiwilligen Leistungen" bergen ein Risikopotential hinsichtlich ihrer Finanzierbarkeit auf Dauer. Die Koalition von CDU, FDP und FWG hat deshalb für Anfang 2012 einen Antrag vorbereitet, der den gesamten Haushalt auf freiwillige Leistungen - jenseits der Bundes- und Landesverpflichtungen- einer Überprüfung unterziehen wird. Hinsichtlich der Pensionsrückstellungen - ein Politikbereich, den die FDP seit Jahren thematisiert - müssen wir feststellen, dass die Schere zwischen Verpflichtung und tatsächlicher Realisierung der Einzahlung und Rückstellung von Mitteln sich weitet. Bei fast allen Landkreisen erfolgt die Finanzierung nur über Kassenkredite. Die Handhabung auf dieser Grundlage hat in den letzten 10 Jahren in erschreckendem Maße zugenommen. Die Selbstverpflichtung muss daher für unseren Landkreis oberstes Gebot sein. Seit Beginn der Doppik in 2008 liegen die Rückstände klarer auf dem Tisch als je zuvor. In 2011 haben wir auf 20 Jahre gerechnet - Verpflichtungen von ca. 33 Mio Euro, d.h. wir müssen pro Jahr etwa 1,5 Mio Euro einstellen, um eine ordnungsgemäße Auszahlung - ohne Aufnahme neuer Kredite gewährleisten zu können. Ein anderes Thema sind die im Kreishaushalt eingestellten 187.000 Euro als so genannte "Blitzeinnahmen". Ich stelle die Frage, ob der Landkreis nunmehr aktiv Werbung macht für schnelleres Fahren, damit die Kreiskassen sich füllen - etwa nach dem Motto: Rasen für Claus Geld ins Kreishaus Aber Spaß beiseite. Nach wie vor gilt die Devise - Vorsicht beim Fahren - auch im Landkreis Mainz-Bingen. Ein völlig neues Kapitel in der Geschichte dieses Landkreises ist der Teilhaushalt 13 - bedingt durch die Tatsache, dass der Landkreis ab 01.01.2012 Optionskommune wird. Zunächst einmal ist festzustellen, dass sich auf der Homepage des Kreises überhaupt kein Hinweis zur Optionskommune befindet. Eine bemerkenswerte Handhabung angesichts der Bedeutung des damit verbundenen Jobcenters. 2/3 der Arbeitslosen sind langzeitarbeitslos und benötigen passgenau Unterstützung, um wieder in das Arbeitsleben zurück zu finden. Der neue Ausschuss "Optionskommune" ist mehr als erforderlich und wird die Entwicklung kritisch begleiten.
Gerade weil der Landkreis Mainz-Bingen mit 3,9% eine sehr niedrige Arbeitslosenquote auch im Bereich SGB II hat, wird die Arbeit der Vermittlung besonders schwer sein. Dezentrale Strukturen, flexible Beratung, Kontakt zu den Betrieben, Aufhebung von Vermittlungshemmnissen durch weite Wege, Zusammenarbeit mit den lokalen Bildungsträgern - alles Aufgaben, die ein neuer Ausschuss "Optionskommune" begleiten wird und muss. Der/die neue Beauftragte für "Kreisentwicklung und Beschäftigung" wird sich ebenfalls mit diesen Fragen auseinandersetzen und auch die Kostenfrage stets im Blick behalten müssen. Akten erhalten Gesichter - nah am Menschen - Partner für Wirtschaft und Handwerk - so hoffen wir, dass sich die Optionskommune entwickeln wird. Der Landkreis steckt hier noch ganz in den Anfängen - wie u.a. die Homepage zeigt. Hinsichtlich unserer Forderung nach verstärkter Kreisentwicklung setzen wir die Empfehlungen der Entwicklungsstudie für den Wirtschaftsstandort Rhein-Nahe-Hunsrück um, die unter starker Beteiligung des Landkreises Mainz-Bingen und seiner Unternehmen erstellt und mitfinanziert wurde und vor zwei Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Ein anderes Thema, das in seiner Dramatik kaum noch zu übertreffen ist, ist die Destabilisierung familiärer Strukturen. Dies zeigt sich in den enormen Steigerungsansätzen bei der "Hilfe zur Erziehung". Was heißt das konkret? Dort wo familiäre Strukturen nicht mehr funktionieren, muss der Staat aktiv werden. Die Veränderungen unserer Arbeitswelt, die Schnelllebigkeit in früher stabilen sozialen Netzwerken, Lebensabschnitts- anstelle von Lebensplanungen - all das führt dazu, dass der Ruf nach staatlichen Hilfsangeboten immer lauter und damit auch teurer wird. Der Staat hilft bei der Erziehung, weil Paare, Alleinerziehende, Familien überfordert sind. Werteerziehung tritt in den Hintergrund und wird durch konsumgesteuerte Handlungsweisen überlagert oder verdrängt. In den Schulen erfährt man drastisch wie Kinder Opfer familiärer Konflikte werden, wie Kinder Markenkleidung höher ansiedeln als Menschlichkeit und Mobbing Tagesaktualität geworden ist. Der Staat ist bei den Hilfen zur Erziehung unverzichtbar geworden, weil es anders offenbar nicht mehr geht. Welch ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft! In dieser Gemengelage kommen unseren Ganztagsschulen besondere Aufgaben zu. Es war und ist der politische Wille in diesem Landkreis Ganztagsschulen zu unterstützen und auszubauen. Dies ist viel mehr als Schulbau - dies ist in hohem Maße soziales Handeln. Ich sehe die Dramatik der gesellschaftlichen Entwicklung mit großer Sorge und fordere Sie alle auf in Ihrem Umfeld ein Zeichen zu setzen. Jeder Einzelne von uns bleibt aufgefordert mitzuhelfen! Lassen Sie mich am Schluss noch einiges sagen zu dem in der Presse von der SPD formulierten "zentralen Punkt der Kreistagssitzung". In der Tat - der Geschäftsbereich "Jugend und Soziales" hat einen Anspruch auf Führung. Dieser Anspruch bleibt dem Bereich seit dem Sommer versagt. Er wird mitverwaltet - letztendlich der nicht vorhandenen Geschlossenheit der alten Koalition geschuldet. Die jetzt entstandene Situation ist eine Folge der Zerstrittenheit von SPD und Grünen. Das die neue bürgerliche Koalition der Mitte jetzt ihre Schwerpunkte setzt, ist nur logisch. Und jetzt noch ein Wort zum Stil der politischen Auseinandersetzung, meine Damen und Herren von der SPD. "Jetzt ziehen wir das Schwert" (AZ vom 10.12.2011) Das Schwert ist seit Urzeiten eine Waffe. Also eine Kriegserklärung von Ihrer Seite? Mögen Sie in den Krieg ziehen, Sie werden auf dem Schlachtfeld alleine sein. Ihre Terminologie und das damit verbundene Denkmuster müssen Sie mit sich alleine ausmachen. Ihr Schwert ist stumpf - Sie dürfen alleine damit kämpfen. Vielen Dank. |