Rede zum
Haushalt 2014

Redebeitrag von Helga Lerch / FDP-Kreistagsfraktion
zum Haushalt 2014

13. Dezember 2013

Lebensraum gestalten – Verantwortung praktizieren


Sehr geehrter Herr Landrat, meine Damen und Herren,

der Kreishaushalt 2014 ist hinsichtlich seiner Einnahmensteigerung und damit verbunden auch seiner politischen Gestaltungskraft ein Ausnahmehaushalt.

Bereits seit Jahren ist erkennbar, dass der Landkreis als Region in vielerlei Hinsicht attraktiver Lebensraum ist und dies mit diesem Haushalt auch noch weiter steigern kann. Offenbar sehen das viele unserer Bürger auch so, denn die Einwohnerzahl ist in den letzten 10 Jahren kontinuierlich gestiegen.

Was sind die Gründe für diese Attraktivität?

Die Ausstattung unserer Schulen übersteigt bereits jetzt schon die Möglichkeiten vieler Landkreise. Auch im Haushalt 2014 werden wieder 14 Mio. Euro an Investitionen in den Schulbau fließen. Dies betrifft den Ausbau der Ganztagsschulen ebenso wie Sanierungsmaßnahmen und die modernste technische Ausstattung - als Stichworte EDV, Beamer, Visualizer, Whiteboards, Tablets – um nur einige Beispiele zu nennen.
Immer noch oder immer wieder sind jedoch Fragen um das Mittagessen an unseren Ganztagsschulen in der Diskussion. Der Landkreis hat eine Zufriedenheitsbefragung an den Ganztagsschulen unter den Schülerinnen und Schülern vorgenommen. Ein Aspekt der Umfrage ist, dass die Schüler, die mit dem Essen unzufrieden sind, sich mehr Pommes, Hamburger und Pudding wünschen. Wenn Sie einem Kind einen Apfel und Schokolade zur Auswahl geben, werden viele zur Schokolade greifen. Erst wenn sich Schäden einstellen wie Übergewicht, Zucker etc. wird der Apfel von Interesse. Was will ich damit sagen? Wir müssen die Ernährungsberatung unserer Kinder verbessern. Nur das Wissen um den Wert von Ernährung hilft richtige Entscheidungen vorzunehmen. Wir legen Ihnen deshalb einen Antrag zur Abstimmung vor, in welchem wir Euro 20.000 den Schulen zur Verfügung stellen wollen, um in Sachen Ernährungsbildung einen Schritt voranzukommen.

Im Rahmen der Ehrenamtsförderung wird der Landkreis nochmals 2 Mio Euro bereitstellen, um den Sanierungsbedarf bei vereins- und gemeindeeigenen Hallen zu befriedigen. In Nieder-Olm und Nackenheim werden 2 Sporthallen gebaut werden.

Zum attraktiven Lebensraum Mainz-Bingen gehören auch die Kindertagesstätten – für 2014 ist ein Plus von 1,2 Mio Euro vorgesehen. Dennoch kritisiert die FDP an dieser Stelle, dass die Landkreise bei der Umsetzung des Ausbaus der U3-Betreuung vom Land nicht allein gelassen werden dürfen. Bereits in der Haushaltsrede im letzten Jahr habe ich an das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz vom 14.02.2012 erinnert, im dem das Land aufgefordert wird, sich deutlich höher an den Ausgaben der Kitas zu beteiligen. Und ich zitiere den geschäftsführenden Direktor des Landkreistages, Herrn Beuscher, der vor drei Wochen im Rahmen der Hauptversammlung des Landkreistages sagte: "Leider ist bislang keine entsprechende Bereitschaft des Landes erkennbar."

Die FDP erwartet vom Land ganz konkret, dass das Konnexitätsprinzip konsequent Anwendung findet. Und es kann nicht sein, dass das Land seine Personalkostenzuschüsse für Kitas aus dem kommunalen Finanzausgleich finanziert.
Für die FDP steht fest, dass die Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen neu geordnet werden müssen – und zwar jetzt und nicht erst 2016 vor der Landtagswahl.

Meine Damen und Herren, Lebensraum Mainz-Bingen bedeutet auch Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur insbesondere auch im ländlichen Raum. Wir unterstützen ausdrücklich das investive Straßenbauprogramm, das rund 4 Mio Euro umfasst sowie die geplanten Verbesserungen im ÖPNV-Angebot von rund 1,4 Mio Euro. Aber auch der Radwegeausbau darf nicht zu kurz kommen. Deshalb legen wir Ihnen heute entsprechende Anträge vor.
Entlang der Radwege beantragen wir die Aufstellung von Info-Tafeln, um Nutzer und Gäste auf die Besonderheiten unserer Region aufmerksam zu machen. Hier geht der Blick auch in Richtung Tourismusförderung. Beginnend mit dem Weltkulturerbe "Mittelrhein" soll bis 2016 – also zum 200-jährigen Jubiläum Rheinhessens – eine Fortführung auch in die anderen Regionen des Landkreises erfolgen.

Lebensraum bedeutet auch Wirtschaftsraum Mainz-Bingen. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich unserem Beauftragten für "Beschäftigung und Kreisentwicklung", Michael Hanne, danken, der in vielen Schritten den Kontakt zu unseren kleinen und mittleren Unternehmen im Landkreis hält und ein offenes Ohr für deren Sorge und Nöte hat und vielfach Hilfe und Lösungen anbieten und erreichen konnte.

Eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte ist seit Jahren unsere Unternehmerinnen-Messe hier im Kreisgebäude. Die Koalition hat heute einen Antrag eingebracht, der die Verwaltung auffordert, neue Räumlichkeiten also einen neuen Standort zu finden. Die Kapazitätsgrenzen hier im Haus sind erreicht und eine Begrenzung der Zahl der Anbieterinnen halten wir angesichts des positiven Signals, das von dieser Messe ausgeht für falsch. Um das Kreisgebiet stärker in den Fokus zu bringen, könnten wir uns auch wechselnde Standorte in der Region vorstellen.

Lebensraum, meine Damen und Herren, gestaltet sich durch Mitmachen. Wir als FDP befürworten deshalb die sich in Planung befindliche Bürgerbefragung zur Rheinbrücke bei Bingen. Wir warten das Ergebnis mit Interesse ab und erhoffen uns einen weiteren Impuls für die wirtschaftliche und touristische Belebung der Region – selbstverständlich auch Erleichterungen für die Berufspendler.

Meine Damen und Herren, wer Lebensraum gestalten will, muss verantwortlich handeln. Verantwortung z.B. im Hinblick auf soziales Handeln. Hier stehen wir in einem inhaltlichen und finanziellen Dilemma was den Teilhaushalt 07 anbelangt. Einerseits ist es völlig ausgeschlossen bei Notwendigkeiten verzögert oder gar nicht zu handeln, zum anderen steigen die Fallzahlen bei der Hilfe zur Erziehung exorbitant. Durch präventive Maßnahmen können wir hier im Vorfeld sicherlich einiges auffangen. Dazu gehört auch die Etablierung der Schulsozialarbeit. Wir begrüßen, dass alle Verträge der SchulsozialarbeiterInnen über den 31.12.2013 an den Gymnasien verlängert wurden und neue Stellen nun auch an Grundschulen finanzierbar sind.
Ich möchte hier an dieser Stelle auch einmal ausdrücklich all jenen danken, die sich an unseren Schulen aber auch hier im Haus der Menschen annehmen, die unsere Unterstützung brauchen.

Dennoch, meine Damen und Herren, Verantwortung heißt auch Prioritäten setzen und sinnvoll handeln. Deshalb müssen wir auch über die Inklusion reden. Inklusion gibt es nicht zum Nulltarif, im Gegenteil – hier liegt eine Aufgabe vor uns, die wir – und ich sage dies ganz offen – nicht leisten können. Die Schulen sind auf diese Aufgabe nicht vorbereitet und die Kommunen können die Kosten nicht schultern. Die FDP ruft deshalb zu einer Stärkung der Förderschulen auf, denn dort ist die Kompetenz, die realisierbar ist.

Verantwortung übernehmen, heißt auch an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf denken. Die FDP, Herr Landrat, begrüßt deshalb die Einrichtung einer Betriebskita für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hier im Haus. Jetzt haben Sie uns Zahlen auf den Tisch gelegt, die belegen, dass es einen erstzunehmenden Bedarf unter den Beschäftigten der Verwaltung gibt. Dennoch – lassen Sie uns noch einmal über den Standort reden – hier sehen wir noch Optimierungsbedarf.

Verantwortungsbewusst handeln, bedeutet für uns als FDP auch die Verpflichtung höchste Sorgfaltspflicht mit den öffentlichen Mitteln walten zu lassen. Und in diesem Zusammenhang muss die "Neue Mitte" angesprochen werden. Die anfängliche Euphorie mit der die Sache aus der Taufe gehoben wurde, ist unseres Erachtens auf ein sachliches Level zurückzufahren. 100.000 Euro hat der Kreisausschuss schon für die Durchführung des due diligence Verfahrens bereitgestellt. Die Mutmaßung, dass man ca. eine halbe Million Euro jährlich an Miete sparen könnte, hat sich ebenfalls angesichts der komplizierten Rechtslage verflüchtigt. Was zum jetzigen Zeitpunkt bleibt, ist die Verpflichtung sorgfältig abzuwägen nachdem im nächsten Jahr alle Fakten auf dem Tisch liegen werden. Die FDP wird hier keine übereilten Schritte tun.

Verantwortung, meine Damen und Herren, hat auch in Zeiten guter Einnahmequellen Hochkonjunktur. Gerade jetzt, wo wir einen "Haushalt der Superlative" zu verabschieden haben, werden Wünsche – übrigens von allen Seiten – unüberhörbar an uns herangetragen. Bei aller Freude über sprudelnde Gelder muss jedoch die Ausgabenpolitik fest im Blick bleiben.

Wir werden heute wieder Maßnahmen beschließen, die uns auf Dauer belasten werden. Wir haben durch investive Maßnahmen im Baubereich neue Flächen geschaffen, die in Zukunft bewirtschaftet werden müssen. Dazu zählen Instandhaltung, Energie, Reinigung, Personal etc.

Mit diesem Haushalt brauchen wir jetzt keine Standards zu senken, aber bereits in 2015 wird der Berechnung nach die Einnahmesituation bei der Kreisumlage um ca. 25 Mio Euro geringer sein. Bewahren wir uns den Blick für eine bezahlbare Ausgabenpolitik auch für die Zukunft.

All jenen ein herzliches Dankeschön, die intensiv an der Erstellung des Haushaltes mitgewirkt haben.

Die FDP-Fraktion wird dem Haushalt ihre Zustimmung geben.